Die Nürnberger Prozesse

Die Stadt Nürnberg ist bis heute in der internationalen Wahrnehmung eng mit den Nürnberger Prozessen verknüpft, die die im Zweiten Weltkrieg begangenen deutschen Verbrechen juristisch aufarbeiten sollten. Am 20. November 1945 mussten sich erstmals in der Geschichte führende Repräsentanten eines Staates für ihre Verbrechen vor einem internationalen Gericht verantworten. An diesem Tag eröffnete der „Hauptkriegsverbrecherprozess" gegen 21 ranghohe Vertreter des NS-Staates im Justizpalast in Nürnberg. Das Militärgericht setzte sich aus Vertretern der vier alliierten Mächte – USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich – zusammen. Der „Jahrhundertprozess" dauerte ein knappes Jahr und endete mit zwölf Todesurteilen, drei lebenslangen sowie vier langjährigen Freiheitsstrafen und drei Freisprüchen.

Gefolgt wurde dieser Prozess von zwölf weiteren Verfahren, die zwischen November 1946 und April 1949 verhandelt wurden. Heute gelten die Nürnberger Prozesse als früher Meilenstein in der juristischen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen und sind Vorbild für moderne Verfahren des Völkerstrafrechts.

Der Ostflügel des Nürnberger Justizpalastes mit Vorplatz.

Im zweiten OG fand im Saal 600 – abgeschirmt durch schwere Vorhänge –
der Prozess gegen die NS-Hauptkriegsverbrecher statt.

© National Archives, College Park, MD, USA
Umbaumaßnahmen im Schwurgerichtssaal.

Erhebliche Umbaumaßnahmen waren nötig, um den Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten
Schwurgerichtssaal für die Anforderungen an einen derartigen Prozess herzurichten.

© National Archives, College Park, MD, USA
Die Angeklagten im Nürnberger „Hauptkriegsverbrecherprozess".

Im Hintergrund ist die Aufzugstür zu sehen,
durch die die Angeklagten den Saal betraten, 1945/1946.

© National Archives, College Park, MD, USA
Das Tribunal während der Urteilsverkündung.

Von links: Alexander F. Wolchkow und Iola T. Nikitschenko (UdSSR), Norman Birkett und
der Vorsitzende des IMT, Geoffrey Lawrence (Großbritannien), Francis Biddle und John J. Parker (USA)
sowie Henri Donnedieu de Vabres und Robert Falco (Frankreich).

© National Archives, College Park, MD, USA

Der Saal 600


Im August 1945 fiel die Entscheidung für Nürnberg als Verhandlungsort. So rückten der Nürnberger Justizpalast und der Schwurgerichtssaal 600 ab Herbst 1945 in das Augenmerk der Weltöffentlichkeit. Der Saal musste im Vorfeld der Prozesse aufwendig erweitert und umgebaut werden.

Im Jahr 1961 wurde der Schwurgerichtssaal offiziell an die bayerischen Justizbehörden zurückgegeben. In den Folgejahren wurden die umfassenden Umbaumaßnahmen des Jahres 1945 rückgängig gemacht und der Saal modernisiert. Bis heute steht er für die historische Bedeutung der Nürnberger Prozessen, was ihn zum „berühmtesten Gerichtssaal der Welt" macht. Seit März 2020 wird der Saal nicht länger für Gerichtsverhandlungen genutzt und steht Besucherinnen und Besuchern fast immer zur Verfügung.

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Der Internationale Militärgerichtshof

 

Schon während des Zweiten Weltkrieges wurden Beweise für die Verbrechen der Deutschen gesammelt. Als die Entscheidung fiel, dass die Hauptverantwortlichen vor Gericht gestellt werden sollten, sahen sich die Ankläger mit einem bisher ungeahnten Ausmaß an Verbrechen konfrontiert. Im August 1945 einigten sich die USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich auf die Einrichtung eines Internationalen Militärgerichtshofs. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte wurden damit führende Vertreter eines Staats wegen der Verletzung völkerrechtlicher Normen zur Rechenschaft gezogen. Mit der Schaffung einheitlicher Rechtsmaßstäbe für alle Angeklagten sollte dabei eine willkürliche Bestrafung verhindert werden.

„Dass vier große Nationen, erfüllt von ihrem Siege und schmerzlich gepeinigt von dem geschehenen Unrecht, nicht Rache üben, sondern ihre gefangenen Feinde freiwillig dem Richtspruch des Gesetzes übergeben, ist eines der bedeutsamsten Zugeständnisse, das die Macht jemals der Vernunft eingeräumt hat."

Eröffnungsrede des amerikanischen Chefanklägers  Robert H. Jackson, 21. November 1945.

Die Ankläger verfolgten vorrangig das Ziel, die Angeklagten mittels ihrer eigenen Befehle, Anweisungen und Dokumente zu überführen. Nach neun Monaten Prozessdauer wurden schließlich am 30. September und am 1. Oktober 1946 die Urteile verlesen und der Prozess zu einem Ende gebracht.

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Die Nürnberger „Nachfolgeprozesse"

 

Mit der Urteilsverkündung im „Hauptkriegsverbrecherprozess“ sollte die juristische Verfolgung von NS-Verbrechen nicht enden. Ab dem 21. November 1946 wurden unterschiedliche Funktionsträger des NS-Staats in Nürnberg vor Gericht gestellt. Verhandelt wurde hierbei ausschließlich vor US-Militärgerichten, die zwischen 1946 und 1949 in zwölf verschiedenen Prozessen, den sogenannten Nürnberger „Nachfolgeprozessen“, gegen 185 Angeklagte ermittelten. Die Verkündung der letzten Urteile im Rahmen der „Nachfolgeprozesse“ erfolgte schließlich am 14. April 1949.

 

„Mit Erlaubnis der Vorsitzenden: Mit Trauer und Hoffnung enthüllen wir hier das absichtliche Abschlachten von mehr als einer Million unschuldiger und wehrloser Männer, Frauen und Kinder. Dies war die tragische Erfüllung eines Programms der Intoleranz und Arroganz.  Rache ist nicht unser Ziel, noch streben wir lediglich nach einer gerechten Vergeltung. Wir bitten diesen Gerichtshof, durch internationale Strafmaßnahmen das Recht des Menschen auf ein Leben in Frieden und Würde ungeachtet seiner Rasse oder seines Glaubens zu bestätigen.  Der Fall, den wir vorlegen, ist ein Plädoyer der Menschlichkeit vor Gericht.“

Eröffnungsstatement der Anklage im Nürnberger „Einsatzgruppenprozess“ von Benjamin Ferencz, 29. September 1947.

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Das Erbe von Nürnberg

„Und lassen Sie es mich deutlich aussprechen: Dieses Gesetz wird hier zwar zunächst auf deutsche Angreifer angewandt, es schließt aber ein und muß, wenn es von Nutzen sein soll, den Angriff jeder anderen Nation verdammen, nicht ausgenommen die, die jetzt hier zu Gericht sitzen. Wir können im Innern Gewaltherrschaft, Willkür, Zwang und Überfall derer, die gegen die Rechte ihres eigenen Volkes an der Macht sind, nur beseitigen, wenn wir jedermann vor dem Gesetz verantwortlich machen."

Eröffnungsrede des amerikanischen Chefanklägers Robert H. Jackson, 21. November 1945.

Mit dem Nürnberger Prozess vor dem Internationalen Militärgerichtshof wurden zum ersten Mal in der Geschichte Rechtsgrundsätze zur Anwendung gebracht, die einen universalen Anspruch aufwiesen. Diese Grundsätze sollten dem modernen Völkerstrafrecht zum Durchbruch verhelfen. Unter Berücksichtigung der Nürnberger Dokumente wurden viele neue Rechtsgrundsätze durch die Vereinten Nationen bestätigt und im Jahr 1950 in das Völkerrecht überführt. Die sogenannten „Nürnberger Prinzipien“ sind seither Bestandteil des Völkerrechts. Auch die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag im Jahr 2002 steht in einer Traditionslinie zu den Nürnberger Prozessen.

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